Hirschau (Bericht von Werner Schulz) Europa als Zukunftsprojekt? Bei seinem Vortrag im evangelischen Gemeindehaus sah der Publizist Michael Möhnle in einem einigen Europa den Garanten für Frieden, Freiheit und Wohlstand. Nationalistischen Tendenzen erteilte er eine Absage.
Gemeinsam hatten das evangelisch-lutherische Bildungswerk Oberpfalz und der CSU-Ortsverband Hirschau in Zusammenarbeit mit der örtlichen Kirchengemeinde anlässlich der Europawahl zu der Bildungsveranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung eingeladen.
Der CSU-Ortsvorsitzende Florentin Siegert hatte mit Michael G. Möhnle, dem ehemaligen Pressesprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, einen hoch kompetenten Referenten gewinnen können. Möhnle ist gelernter Medienberater und Journalist, in Augsburg geboren und in Kalifornien aufgewachsen. Er war über 13 Jahre in Brüssel tätig.
In seiner Begrüßung machte Siegert bewusst: „Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der es nie Grenzen in Europa gab.“ Alleine deswegen schon sei für ihn Europa ein großes Projekt der Friedens-, Freiheits- und Brüderlichkeitsbildung.
Pfarrer Stefan Fischer verwies auf die aktuelle, gemeinsam von beiden großen Kirchen verabschiedete Verlautbarung zur Europawahl. Sie mache deutlich, dass der Weg zu mehr Frieden nur ein Weg zu mehr Europa sein könne.
In seinem etwa einstündigen Vortrag zeigte Möhnle das Entstehen der Demokratie im antiken Griechenland sowie die christliche Ethik als Wurzeln europäischer Identität und des Rechtswesens auf. Er umriss die Geschichte der Anfänge der Europäischen Union. Ziel der einzelnen Staaten sei es nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen, nach und nach Souveränität abzugeben, um Frieden zu sichern.
Frieden bedeute aber weitaus mehr als „Gutes Sein-Können“ und die Abwesenheit von Krieg. Zu den Errungenschaften der EU zählten u.a. eine starke Währung, ein europäischer Haftbefehl, eCall und das Galileo-Satelliten-System. Nicht vergessen dürfe man das äußerst positive Ansehen Europas und der Europäerinnen und Europäer in einer Welt, die mehr als 85 000 globale Konzerne, wie z.B. Google, zählt, denen mit nationalem Recht nicht begegnet werden kann.
„Hätten wir die EU nicht, müssten wir sie aus dem Boden stampfen so schnell wir könnten!“ Die oft vorhandenen Vorbehalte gegenüber der EU erklärte der Referent damit, dass es „leider keine Sensationen des Guten gibt.“ In der Wahrnehmung komme daher eher das Negative bei den Menschen an. Errungenschaften fielen unter den Tisch. In einer spritzigen und kurzweiligen Weise, aber auch sehr kritisch, wurde das Projekt Europa beleuchtet.
Hinterfragt wurde auch das Wahlrecht. „Warum können wir nur Parteilisten wählen und keine Direktkandidatinnen und -kandidaten?“. Möhnle ging auch auf den steigenden Rechtspopulismus und die nationalistischen Tendenzen ein. Der Nationalismus zeige das gleiche Gesicht wie vor Entstehung der EU. Er benutze die gleiche Methode, die Medien - angesichts einer vernetzten Welt mit einer weitaus größeren Reichweite. Beeinflussung und Manipulation, die damals 10 Jahre gedauert hätte, sei heute in wenigen Minuten mit ein paar Klicks möglich durch Emotionalisierung und gezielte Falschinformation einer negativen Sensation.
Es stelle sich die Frage, warum die etablierten Parteien dieses Defizit an Kompetenzen im Digitalen und Social Media-Bereich nicht ausgeglichen haben. Dem Projekt Europa verdanke man eine nie dagewesene Friedenszeit. Die „Ich- zuerst-Mentalität“ sei auf Dauer noch nie gut gegangen. An den Vortrag schloss sich eine Diskussionsrunde an.
Als Dankeschön gab es zur Abrundung europäischen Wein und frisch gebrautes Hirschauer Bockbier. Alle Besucher wurden von der Frauen Union zum Meinungsaustausch bei Häppchen und Getränken eingeladen.
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