Hirschau (Bericht von Werner Schulz) Fünf Wochen nach der Gesangvereinsgründung schlug am 4. Dezember 1860 die Geburtsstunde der Kolpingsfamilie. Sie ist damit Hirschaus zweitältester Verein und zählt zu den ältesten Kolpingsfamilien in Bayern.
Noch zu Lebzeiten Adolph Kolpings griff man in Hirschau seine Idee zur Gründung Katholischer Gesellenvereine auf. 29 Männer wählten Tischlermeister Thomas Schreiner zum 1. Vorsitzenden, Sattlermeister David Popp und Fabrikbesitzer Johann Dorfner zu seinen Stellvertretern. Als erster Präses erhielt Cooperator Alois Rußwurm die oberhirtliche Bestätigung. Am Jahresende zählte man schon 42 aktive und 30 fördernde Mitglieder.
Hirschauer Stückl-Züge trägt die Fahnenweihe im Jahr 1862. Zum Stiftungsfest im Januar war der Nachbarverein Amberg mit seiner Fahne erschienen. Daher wollten die Hirschauer sich auch eine Fahne beschaffen. Eine Sammlung bei der Bürgerschaft ermöglichte dies. Zur Fahnenweihe am 15. Juni 1862 waren zwar die Brudervereine aus Amberg und Nürnberg gekommen, aber eben nicht die Hirschauer Fahne. Ihre Weihe wurde einige Tage später durch Stadtpfarrer Kotz nachgeholt. Groß wurde vom 23. bis 25. Juli 1910 das 50-Jährige gefeiert. Am Samstag gab es einen Fackelzug mit Musik und einen Festabend, am Sonntag einen Festgottesdienst mit Fahnenweihe, abends ein großes Feuerwerk. Am Montag wurde eine Ruhebank aufgestellt und eine Linde gepflanzt. Seitdem heißt der Platz Josefsruh.
Im 1. Weltkrieg mussten von 30 eingezogenen Mitgliedern 23 ihr Leben lassen. Das Dritte Reich brachte eine Zwangspause. Kaplan Hanauer: „Die Machthaber wollten keine religiösen Vereine dulden!” Bei der 1. Generalversammlung nach der Wiedergründung am 1. Dezember 1946 wurden Paul Freimuth zum Senior, Josef Widder zum Altsenior und Georg Dobmeier zum Vizepräses gewählt. Die Weihe des ersten Kolping-Banners am 25. Januar 1948 musste noch von der Militärregierung genehmigt werden. Erste Großveranstaltung war das 90. Stiftungsfest im März 1950. Die Regensburger Domspatzen gestalteten den Festgottesdienst.
Wegen des häufigen Vereinslokalwechsels dachte man an den Bau eines Kolpinghauses. Dies erübrigte sich, als die Pfarrei 1953 den Löwenbräusaal kaufte. Das in Josefshaus umbenannte Gebäude wurde Vereinslokal, bis man 1957 mit dem Anbau des Jugendheimes ein eigenes Kolpingszimmer erhielt. Unermüdliche Motoren der Baumaßnahme waren Kaplan Josef Schedl und Vorstand Adolf Wisgickl. Nach dem Umbau zum Pfarrheim wurde am 20. Oktober 1985 das heutige Zuhause der Kolpingsfamilie eingeweiht. Beim 100-Jährigen am 9./10. Juli 1960 weihte Landespräses Fischer ein neues Kolpingsbanner. Das 150-Jährige wurde am 10. Juni 2010 mit einem Festabend im Josefshaus gefeiert. Festredner war der Diözesan-Ehrenvorsitzende Ernst Baier. Zum Jubiläum übergab man der Caritas-Sozialstation ein Einsatzauto.
Die Tradition der Kolping-Theatergruppe reicht bis 1899 zurück. Nach dem 2. Weltkrieg übernahm Herbert Mergans die Leitung. 1961 wurde im Josefshaus ein Passionsspiel aufgeführt, 1963 das Stück „Jedermann”. Viele Jahre leitete Hans Haberl die Theatergruppe. Sein plötzlicher Tod war ein herber Schlag. Sein Nachfolger Bepp Dietz verstarb in jungen Jahren. Ab 1995 führte Walter Widder Regie, seit 2010 Christina Wisneth. Zuletzt wurde 2018 die Komödie „Die wilde Hilde“ gespielt. Einige Darsteller wirkten in den letzten Jahren bei den Hirschauer-Stückl-Festspielen mit.
1952 gründete Sepp Uschold den Kolping-Fanfarenzug. Er entwickelte sich vom Spielmannszug zum Musikzug, dem heutigen kulturellen Aushängeschild der Stadt Hirschau.
Ein sportliches Kapitel schlug Walter Widder 1964 mit der Gründung des TTC Kolping auf. Seit 2002 steht Hans Fleischmann an der Spitze. Ab 1975 lud der TTC Kolping viele Jahre zu einem Weinfest mit Kür der Hirschauer Weinkönigin. 1960 rief Walter Widder das Jura-Gartenfest ins Leben, bei dem Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam feiern. Mitglieder der Kolpingsfamilie waren stets als Helfer dabei. Der Festerlös kommt den Jura-Werkstätten zugute. Von 1960 bis 2019 kamen 65 170 Euro zusammen. 2020 musste das Fest wegen der Corona-Pandemie ausfallen.
Ein herausragendes gesellschaftliches Ereignis war über Jahrzehnte der Kolpingsball - Hirschaus einziger Schwarz-Weiß-Ball. Nach der faschingslosen Zeit während des Irakkrieges 2003 schlief der Ball ein. Reaktivierungsversuche schlugen fehl.
Nicht unerwähnt bleiben dürfen die Kriegsgräbereinsätze der Kolpingssöhne. Adolf Wisgickl war als erster Hirschauer in Frankreich dabei. Die Jungkolpinggruppe St. Wolfgang beteiligte sich in den 1960-er Jahren an Einsätzen am Futapass in Italien und stieß dort auf das Grab des Hirschauers Heinrich Schuster. Walter Widder war dort fünfmal im Einsatz. Er nahm als einziger Hirschauer Kolpingssohn an einem Entwicklungshilfeprojekt in Kamerun teil.
Zu den erfreulichen Ereignissen in der Geschichte der Kolpingsfamilie zählt, dass 1995 mit Herbert Mader ein Kolpingsbruder zum Priester geweiht wurde.
Seit 2001 hat die Kolpingsfamilie eine Frauengruppe. Zur Frauenbeauftragten wurde Erika Heuberger gewählt. Sie führte die Frauengruppe, die sich (außer zu Corona-Zeiten) regelmäßig jeden Monat trifft. Ihr folgten in diesem Amt Elisabeth Schorner und aktuell Karin Maier.
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