zurück zur Übersicht

Nachricht vom 11.01.2021 Politik

CSU-Ortsverband vor 75 Jahren als „CSE“ gegründet

Hirschau (Bericht von Werner Schulz)  Bis 1965 war das Kommunbrauhaus an die Rathauswestseite angebaut. In ihm waren u.a. Schulräume, der Kindergarten und ein Versammlungsraum untergebracht - der Fahnensaal. Dort schlug am 7. Januar 1946 die Geburtsstunde des CSU-Ortsverbandes.

Am 22. April 1945 waren die Amerikaner nach Hirschau einmarschiert. Sie enthoben den seit 1933 amtierenden Bürgermeister Dr. Thoma seines Amtes. Sägewerksbesitzer Mathias Amann, ein Sozialdemokrat, der von 1919 bis 1933 bereits Mitglied des Stadtrats war, wurde zum Bürgermeister ernannt. Landrat Dr. Martin Winkler teilte ihm seine Ernennung, die „im Einvernehmen mit der Militärregierung” getroffen wurde, mit Schreiben vom 19. Juli 1945 mit. Amann meldete am 23. Juli 1945 die Übernahme der Amtsgeschäfte. Als Stellvertreter wurde mit Schneidermeister Anselm Freimuth ein ehemaliger BVP-Stadtrat eingesetzt. Er war am 28. Juni 1933 wegen abwertender Äußerungen über die NSDAP, besonders über den Führer, verhaftet und ins Gefängnis, in die Frohnfeste, nach Amberg verbracht worden. Dort verblieb er bis zum 10. Juli 1933. Nach seiner Entlassung wurde er von den Nazis unter Hausarrest gestellt. Begründet wurde dies mit seinen öffentlichen Hitler-Beschimpfungen.

Nach dem von der NSDAP im Juni 1933 erzwungenen „freiwilligen” Abschied der BVP-Kommunalpolitiker aus dem Stadtrat hatte sich der Ortsverband der Bayerischen Volkspartei aufgelöst. Die Auflagen und das Parteienverbot der US-Militärregierung, die Beschäftigung mit den eigenen existentiellen Nöten und die negative Besetzung des Begriffs „Partei” waren ursächlich, dass sich in Hirschau zunächst niemand an die Wiederbelebung der alten BVP oder die Gründung einer neuen Partei wagte.



Selbstverständlich blieben auch hier die Bestrebungen nicht unbekannt, eine neue Partei, eine christliche Sammlungsbewegung ins Leben zu rufen. In Kastl war z.B. Ende 1945 ein Ortsverband der CSU gegründet worden. In Kümmersbruck hatte Pfarrer Reitinger im Herbst 1945 eine Gruppe von Männern und Frauen in den Pfarrhof eingeladen, um die Gründung einer christlichen Partei vorzubereiten.

Für Anselm Freimuth war klar, dass die Abkehr von den Grundsätzen des Christentums die Ursache der Barbarei war, die das deutsche Volk und die ganze Welt in entsetzliches Unglück gestürzt hatte. Für ihn war die Rückkehr zu diesen Grundsätzen der einzig taugliche Weg zum Wiederaufblühen Deutschlands. Er war überzeugt, dass man den Wiederaufbau und das Errichten einer staatlichen Ordnung selbst in die Hand nehmen musste, sie aber nicht ausschließlich den Sozialdemokraten, schon gar nicht den Kommunisten überlassen durfte. Schließlich war es der von den Amerikanern eingesetzte Landrat Dr. Martin Winkler, der Freimuth animierte, für den 7. Januar 1946 eine Versammlung einzuberufen mit dem Ziel, die Partei der „Christlich-Sozialen Union” zu gründen. Winkler und Freimuth kannten sich seit vielen Jahren durch die Zusammenarbeit im Christlichen Bauernverein.

Auch SPD- Bürgermeister Amann, mit dem Freimuth von Jugend an befreundet war, hielt seinen Stellvertreter an, etwas in Richtung BVP-Wiederbelebung oder Parteineugründung zu unternehmen. Paul Freimuth, Anselm Freimuths Sohn und 1955 sein Nachfolger im CSU-Ortsvorsitz, erinnert sich an Amanns Aufforderung: „Anselm, ihr möißt’s daou a wos tou!” Ähnliches berichtete CSU-Gründungsmitglied Wilhelm Schorner, der in Amanns Sägewerk beschäftigt war. Dem SPD-Mann war daran gelegen, dass sich die christlich-konservative Seite wieder politisch formierte, um am Wiederaufbau der Heimat mitzuarbeiten. Als bekannt wurde, dass am 27. Januar 1946 die ersten Kommunalwahlen nach dem Krieg stattfinden sollten, entschloss sich Freimuth endgültig, zur Gründung einer neuen Partei einzuladen.

Die Einladung geschah in aller Regel durch persönliche Gespräche, zu denen Freimuth ehemalige BVP-Mitglieder bzw. Anhänger und, wie sein Sohn Paul Freimuth es formulierte, andere „ehrenwerte Männer” aus kirchlichen Kreisen aufsuchte. Ein Aufruf über die Presse war nicht möglich, da es zu dieser Zeit keine Zeitungen in Hirschau gab. Die Hirschauer konnten sich nur durch ein Amtsblatt informieren, das in ca. vierwöchigem Turnus erschien. Bei seinen Unterredungen stieß Freimuth oft auf Skepsis, allerdings auch auf Zustimmung. So wagte er es, die Gründungsversammlung anzusetzen. Sie sollte am 7. Januar 1946, abends um 7 Uhr, im ehemaligen Fahnensaal des Kommunbrauhauses stattfinden, das damals noch an den Westgiebel des Rathauses angebaut war.



Dort erschienen 47 Männer zu der Veranstaltung, die im Protokollbuch ausdrücklich als „keine öffentliche Versammlung” bezeichnet wird. Anselm Freimuth übernahm die Leitung und bestimmte Walter Hufeld zum Protokollführer. Seiner Niederschrift ist zu entnehmen, dass sich die Anwesenden einstimmig für die Gründung einer „Christlich-Sozialen Einheit” aussprachen. Die Nachforschungen konnten keine Aufschlüsse bringen, warum die Partei auf den Wahlscheinen bei den Wahlen am 27. Januar 1946 als „Christlich-Soziale Einigung” aufgeführt wurde. Eine formelle Aufnahme von Mitgliedern in die CSE oder die Wahl einer Vorstandschaft erfolgten nicht. Vielmehr wurde die Aufstellung der Kandidatenliste für die Stadtratswahlen zum wichtigsten Tagesordnungspunkt.

Der Wahlausschuss mit Johann Brumbach, Wilhelm Schorner und Johann Rösch hatte unter den Anwesenden zwischen „unbelasteten” und „belasteten” Personen zu unterscheiden. Letztere durften nicht für den Stadtrat kandidieren. Von den 47 Anwesenden nahmen 36 an der Wahl der Kandidaten teil. Der Hirschauer Stadtrat hatte damals nur 11 Sitze, wie das Protokoll der konstituierenden Sitzung vom 7. Februar 1946 belegt. Trotzdem wurde für die „CSE” eine Kandidatenliste mit 16 Personen gewählt: Johann Brumbach und Heinrich Dobmeyer (34 Stimmen), Michael Fleischmann (31), Anselm Freimuth (30), Wilhelm Schorner (29), Johann Leistl (27), Franz Gebhardt (26), Georg Wittmann (24), Hans Gallwitzer und Walter Hufeld (2), Georg Dobmeier (20), Johann Rösch und Johann Götz (19), Josef Mendl (18), Clemens Haas und Andreas Gallwitzer (17). Der Wahlausschuss bestätigte im Protokoll, dass die Wahl geheim und nach demokratischen Grundsätzen durchgeführt wurde.

Die Tatsache, dass es am 7. Januar 1946 zwar zur Parteigründung (CSE) und zur Aufstellung einer Stadtratskandidatenliste gekommen war, aber zu keiner Wahl einer zumindest kommissarischen Vorstandschaft, dürfte eine Hirschauer Besonderheit sein. Diese Formalitäten wurden erst, wie das Protokollbuch belegt, bei einer Zusammenkunft am 4. März 1946 nachgeholt. Als Gründungsmitglieder werden 14 Männer genannt: Anselm Freimuth (1. Vorsitzender), Johann Brumbach (2. Vorsitzender), Heinrich Dobmeyer (Schriftführer), Johann Leistl, Michael Fleischmann, Johann Rösch und Hans Gallwitzer (alle Beisitzer) sowie Franz Gebhard, Wilhelm Schorner, Josef Freimuth, Michael Fleischmann (Lagerhaus), Georg Rösch und Johann Wittmann.



Anselm Freimuth legte letztendlich den Grundstein dafür, dass die CSU in Hirschau politische Verantwortung übernahm und seit nunmehr 75 Jahren maßgeblich zur positiven Entwicklung der Stadt beiträgt.

Schneidermeister Anselm Freimuth (l.) lud am 7. Januar 1946 zur Gründung der Christlich Sozialen Einheit (CSE) in den Fahnensaal des Kommunbrauhauses ein. 47 Männer folgten der Einladung. 36 von ihnen wählten eine 16-köpfige Kandidatenliste für die Stadtratswahl am 27. Januar 1946. Mit im Bild: Ehefrau Barbara und Sohn Paul, der 1955 seinem Vater als CSU-Ortsvorsitzender nachfolgte, von 1956 bis 1978 dem Stadtrat angehörte und von 1960 bis 1972 Hirschaus 2. Bürgermeister war. - Foto von Werner SchulzFoto: Werner Schulz
Schneidermeister Anselm Freimuth (l.) lud am 7. Januar 1946 zur Gründung der Christlich Sozialen Einheit (CSE) in den Fahnensaal des Kommunbrauhauses ein. 47 Männer folgten der Einladung. 36 von ihnen wählten eine 16-köpfige Kandidatenliste für die Stadtratswahl am 27. Januar 1946. Mit im Bild: Ehefrau Barbara und Sohn Paul, der 1955 seinem Vater als CSU-Ortsvorsitzender nachfolgte, von 1956 bis 1978 dem Stadtrat angehörte und von 1960 bis 1972 Hirschaus 2. Bürgermeister war.

Veröffentlichung

Möchten Sie Ihre Nachrichten/Presseberichte hier veröffentlichen? Senden Sie einfach Ihre Artikel per E-Mail an uns und wir veröffentlichen Ihren Beitrag hier auf kaolinpott.de!

Hinweis

Für den Inhalt der Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Bilder / Fotos

Foto: Werner Schulz
Foto: Werner Schulz