Hirschau (Bericht von Werner Schulz) Im Stadtgebiet tragen drei Straßen den Namen eines ehemaligen Bürgermeisters – eine ist die „Bürgermeister-Amann-Straße“. Mit der Benennung würdigte der Stadtrat die Arbeit des ersten Nachkriegsbürgermeisters Matthias Amann.
Matthias Amann und sein politisches Engagement
Am 22. April 1945 rückten amerikanische Truppen in die Stadt ein. Die Militärregierung setzte den seit 1933 amtierenden NSDAP-Bürgermeister Dr. Thoma ab und ernannte den Sägewerksbesitzer Matthias Amann zum Stadtoberhaupt. Landrat Dr. Winkler schreibt am 19. Juli 1945: „Im Einvernehmen mit der Militärregierung Amberg ernenne ich Sie hiermit zum Bürgermeister der Gemeinde Hirschau. Sie wollen die Amtsgeschäfte unverzüglich übernehmen und mir hierüber Meldung erstatten.“ Am 3. August teilte Amann dem Landrat mit, dass er die Amtsgeschäfte am 23. Juli übernommen hat. Als sein Stellvertreter wurde Schneidermeister Anselm Freimuth eingesetzt. Amann (SPD) wie Freimuth (BVP) hatten 1933 ihr Stadtratsmandat auf Druck der Nazis niederlegen müssen. Beide wurden wegen ihrer offenen Kritik an der NSDAP und am Führer in „Schutzhaft“ genommen. Amann wurde am 26. Juni 1933 in die Frohnfeste nach Amberg verbracht, Freimuth am 28. Juni.
Im Juni 1919 schlug die Geburtsstunde der Hirschauer SPD. In der Küche der Gastwirtschaft „Noglschmied“ (damals Hausner, später Grasser) hoben 14 Genossen den Ortsverein aus der Taufe – unter ihnen Matthias Amann. Er wurde zum Kassier gewählt. Bei den Gemeinde- und Bezirkstagswahlen am 15. Juni 1919 konnte die SPD mit Matthias Amann und Georg Lederer zwei Mitglieder in den Bezirkstag (heute Kreistag) entsenden, sechs in den Stadtrat, darunter Amann. Er gehörte dem Gremium bis zu seinem von den Nazis erzwungenen Abschied im Juni 1933 an. In seiner Stadtratszeit war er viele Jahre 2. Bürgermeister. Als solcher war er Mitglied der Wohnungskommission. Sie sollte ab 1921 durch Beschlagnahme von Wohnungen und Einweisung von Bedürftigen die Wohnungsnot der Arbeiter lindern. 1929 scheint die NSDAP in der Hirschauer Gendarmerie Anhänger gehabt zu haben. Sie berichtet am 25. August nach Amberg, Hirschaus Bevölkerung sei überwiegend sozialistisch eingestellt, ein Teil radikal kommunistisch. „Als Führer der Sozialdemokratischen Partei kann der 2. Bürgermeister Matthias Amann, Gütler und Holzhändler, angesehen werden.“ Bei den Wahlen im Dezember 1929 kandidierte Amann für das Amt des 1. Bürgermeisters. Die Wahl gewann der seit 1919 amtierende Ernst Riß (BVP). Er wurde 1933 von den Nazis abgesetzt. Er blieb weiter in ihrem Visier. Enkel Herbert Amann berichtet, dass in den letzten Kriegstagen zweimal die SS vorgefahren sei. Sein Opa sei aber gewarnt worden und habe sich bis Kriegsende einige Tage im Dienhofer Wald versteckt.
Das Ende der Nazi-Diktatur und die Übernahme des Bürgermeisteramtes bedeuteten für Amann den Neubeginn seiner politischen Arbeit. Im Oktober 1945 trafen sich altbewährte Sozialdemokraten mit dem Ziel der Wiedergründung des SPD-Ortsvereins. Sie erfolgte am 9. Januar 1946 im Nebenzimmer des Ertlsaals (später Josefshaus). An der Spitze der Wiedergründer stand 1. Bürgermeister Amann. Die Militärregierung setzte für den 27. Januar 1946 „Gemeindewahlen“ an. In Hirschau gingen von 1410 Stimmberechtigten 1263 zur Wahl. Auf die CSE (so hieß damals die CSU) entfielen 676 Stimmen, auf die SPD 509 und auf die KPD 65. Die SPD erhielt 5 Stadtratssitze, die CSE 6. Damals wurde in Gemeinden mit über 3 000 Einwohnern der Bürgermeister vom Stadtrat gewählt. Die Wahl erfolgte bei der konstituierenden Sitzung am 7. Februar 1946. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse wäre die Wahl eines CSE-Mannes zum 1. Bürgermeister logisch und selbstverständlich gewesen. Aber - Matthias Amann wurde einstimmig gewählt. Zu seinem Stellvertreter wurde ebenso einstimmig Anselm Freimuth (CSE) gewählt. Eine mustergültige große Koalition! Eine solche gab es auch 50 Jahre später bei der Stadtratssitzung am 29. Februar 1996. CSU und SPD stellten den gemeinsamen Antrag, eine der Straßen im Baugebiet „Heidenau“ nach Bürgermeister Amann zu benennen. Alle CSU- und SPD-Stadträte stimmten dafür. Die Namensgebung wurde bei 2 Gegenstimmen beschlossen.
Als Amann im Juli 1945 das Amt übernahm, war er vom ersten Tag an mit ungeheuren Problemen konfrontiert, zu deren Lösung ihm nur einige Verwaltungskräfte zur Verfügung standen. Die heimische Wirtschaft war zusammengebrochen. Hirschaus Einwohnerzahl war innerhalb eines guten Jahres durch die große Zahl Heimatvertriebener aus Schlesien und dem Sudetenland von ca. 3 100 auf knapp 4 000 angestiegen. Für sie musste Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Zeitzeugen bewerten sein Wirken: Er war gerecht, gab jedem das, was ihm zustand.
Matthias Amann und sein Arbeitsleben
Im Schuljahr 1960/61 wurde Amann von den Achtklässlern Rudi Wild (heute SPD-Stadtrat) und Rudi Burger zum Thema „Hirschau hatte einmal eine Gasversorgung“ interviewt. Demnach erhielt die Stadt in den Jahren 1903 bis 1905 eine Gasversorgung. Das Gebäude wurde „in der Weggabelung Bahnhofstraße – Grundstraße“ errichtet. Der Gaskessel stand auf der Südseite des Baues. Er hatte die Form eines Zylinders und fasste 30 m³ Gas. Matthias Amann war von der Stadt beauftragt, das Gaswerk zu bedienen. Er bekam dafür monatlich 48 Goldmark. Er bereitete das Acetylengas. Aus einem Kilogramm Karbid musste er 300 Liter Gas gewinnen. Bei Einbruch der Dunkelheit ging er mit einer langen Stange, an der ein Bunsenbrenner steckte, durch die Stadt. Aus ihm zischte und rauchte eine blaue Flamme. Amann hielt bei jeder Laterne, drehte mit einem Haken den Gashahn auf und flammte das Leuchtgas an. Weil die Stadt sparsam und der Verkehr damals noch gering war in der Nacht, wurden die Lampen um 11 Uhr nachts gelöscht. Um 1919 musste das Gaslicht dem elektrischen weichen.
Sein Sägewerk kaufte Matthias Amann in den 1930er Jahren und betrieb es zusammen mit Hermann Wittmann bis Anfang er es Anfang der 1960er Jahre an seinen Sohn Lorenz übergab. Im Betrieb, zu dem auch eine Landwirtschaft gehörte, waren während des Krieges neben sechs bis sieben Einheimischen auch Kriegsgefangene u.a. aus Weißrussland beschäftigt. Enkel Herbert Amann weiß zu berichten, dass z. B. ein weißrussischer Arbeiter bis zum Tod seines Opas Kontakt zu diesem hielt, ihn auch mit seiner Familie besuchte. Bei einem Ausflug zum Monte Kaolino habe er erzählt, dass er von den Amanns wie ein Familienmitglied behandelt und verpflegt worden sei.
Enkel Herbert erinnert sich noch sehr gut daran, dass „die schlechte Zeit bei seinem Opa Ängste hinterlassen“ hat. So hatte er stets Konserven (Erbsen, Karotten, Rindfleisch) vorrätig. Besonders viel hatte er 1968 während des „Prager Frühlings“ eingekauft. Herbert Amann: „Ich höre ihn heute noch sagen: „Der Russe ist in einer ¾ Stunde hier.“ Herbert Amann erinnert sich zudem daran, dass sein Opa ein großer Opern- und Operettenliebhaber war. „Nur Wagner mochte er – aus bekannten Gründen – nicht!
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