Hirschau (Bericht von Werner Schulz) Jahrelang lag Hirschau im Faschings-Dornröschenschlaf. Wach geküsst wurde das Faschingsmuffelstädtchen von Regina Merkl, der Narrhalla-Präsidentin. Sie machte Hirschau wieder zu dem, was es bis Mitte der 1950-er Jahre war – eine Faschingshochburg.
Ihre Wiederbelebungsversuche begannen 2014 mit der Gründung der Kindergarde. Das zarte Pflänzchen entwickelte sich prächtig. 2020 konnte man eine eigene Faschingsgesellschaft gründen – die „Narrhalla Hirschau“mit ihr als Präsidentin. Kinder-, Jugend- und Prinzengarde, Elferrat, Hofdamen, Maskottchen Monti, Inthronisation der Prinzenpaare, Faschingsbälle, Kinderfaschingszüge und als absolute Krönung vergangenen Samstag der erfolgreiche Weltrekordversuch mit der größten Polonäse in Faschingskostümen – alles war und ist mehr oder weniger initiiert von Regina Merkl.
Ein Faschings-Weltrekord ist zwar ein Novum für Hirschau, nicht aber die Existenz einer Faschingsgesellschaft. Die Recherchen von Stadtheimatpfleger Sepp Strobl förderten zutage, dass es bereits lange vor dem Zweiten Weltkrieg eine „Gesellschaft zur Pflege des Karnevals“ gab – die „Narrhalla Hirschau“. Sie existierte noch 1959/1960 und gehörte dem „Bund Deutscher Karneval“ an, wie eine von Sepp Strobl ausgegrabene Mitgliedskarte belegt.
Die Aktivität der Narrhalla schildert ein Zeitungsbericht über die Inthronisation von Prinz Josef I. von der Hirschenau (Josef Schneider) und ihrer Lieblichkeit Prinzessin Mariele (Mariele Rösch) im Jahr 1953: „Frohe Stimmung lag über dem festlich geschmückten Löwenbräusaal, der bis auf den letzten Platz besetzt war, als um 21 Uhr der Hofmarschall (Ali Lauber) mit seinen beiden niedlichen Pagen von der Menge jubelnd begrüßt und umgeben von seinem Ballett auf der Bühne in launigen Worten den Einzug der Tollitäten ankündigte. Angeführt von der Kommandeuse Anni (Uschold) kam im Paradeschritt die schneidige, quicklebendige Prinzengarde und wurde jubelnd mit dem Hirschauer Faschingsruf „AHA“ (heute heißt er „Hirschau OHO“) begrüßt. Dann folgten das Prinzenpaar, begleitet von ihrem originellen Hofnarren (Georg Tröster) und dem sich seiner Würde vollauf bewussten Elferrat…“. Zum Präsidium gehörte damals auch ein Finanzminister (Andreas Meyer), Kriegsminister (Sepp Bäumler) und Wirtschaftsminister (Sepp Dorfner). Als Pagen fungierten die Zwillingsschwestern Gertrud und Christa Schwab).
Mit Benedikt Herrneder gab es bereits 1925 einen Faschingsprinzen. Die Sepp Strobl zur Verfügung stehenden Quellen belegen, dass dieses Amt 1939 sein späterer Schwiegersohn Richard Schertl innehatte und Herrneders Tochter Karolina seine Prinzessin war. Nach dem Krieg bemühte sich der Gewerbeverein um eine Wiederbelebung. Benedikt Herrneder sorgte dafür, dass das Faschingsleben wieder pulsierte. Er gehörte 1951 dem Elferrat der Narrhalla an, ebenfalls bekannte Persönlichkeiten wie Josef Dobmeyer, Hermann Häckl und Hermann Dorfner, im Volksmund „Café-Heiner“ genannt. 1952 bestand die Präsidentschaft aus den Herren Adam Ritter, Benedikt Herrneder und Andreas Amon. Als Faschingsprinz regierte Prinz Hermann I. (Hermann Häckl). Ein Aushängeschild der Narrhalla waren die Gardemädchen. Sie feierten als Ballett große Erfolge. Am Faschingsdienstag sah Hirschau den größten Faschingszug seiner Geschichte. Firmen wie die Amberger Kaolinwerke und Gebrüder Dorfner waren maßgeblich am Bau der Umzugswägen beteiligt. Da waren z.B. AKW-Direktor Oskar Hallbauer, Karl Fleischmann, Sepp Birner und Rudl Kokott als Amerikaner im Jeep unterwegs. 1953 folgte Prinz Josef I. (Bäckermeister Josef Schneider) mit ihrer Lieblichkeit Mariele Rösch (spätere Ehefrau) und 1954 Paul Zinner mit Anni Uschold (ebenfalls spätere Ehefrau). Als Gardemädchen waren von 1952 bis 1954 Hilde Würl, Rosi Sommer, Elfriede Häckl, Viktoria Heindl, Maria Heindl, Lydia Meier, Rosmarie Lehmann, Blanda Dorner, Emilie Demel, Hedwig Lippert, Luzie Rösch, Thekla Fischer, Elfriede Budewig, Anni Högl, Elli Brem, Resi Stubenvoll, Marianne Krug und Gerlinde Ulbricht im Einsatz. Zu den großen Bällen im Löwenbräusaal fanden sich auswärtige Gardegruppen mit ihren jeweiligen Prinzenpaaren ein. 1952 war der Hirschauer Prinz Hermann I. der einzige Junggeselle unter den fünf anwesenden Prinzenpaaren. Die Vereinsstatuten gestatteten es nicht, dass seine auserwählte Prinzessin Elfriede, die aus Amberg war, mitmachen durfte.
Die Aufstellung zu den Faschingszügen erfolgte meist im AKW und auf der unteren Mühle. Von dort aus ging es durch die Innenstadt und über die Burg- und Grundstraße zurück. An den Straßenrändern drängten sich Besucher aus nah und fern.
In der Nach-Narrhalla-Zeit erlebten die Faschingsbälle im Josefshaus in den 1970-er und 1980-er Jahren ihre Blütezeit. Ein Verein nach dem anderen lud dazu ein, entpuppten sich doch die Bälle als finanziell attraktiv für die Vereinskassen. Die Hirschauer gingen in Scharen Maschkerer zu den fast ausnahmslos ausverkauften Veranstaltungen. Eine Ausnahme bildete der Kolpingsball. Er war der einzige „Schwarz-Weiß-Ball“. Hohe GEMA-Gebühren, immer teurer werdende Musikkapellen und das Nachlassen des Besuches führten dazu, dass die Vereine nach und nach die Faschingsbälle aus ihrem Programm strichen. Am 19. Februar 2007 – damals Rosenmontag – fand mit dem Sportlerball im Josefshaus der letzte von einem örtlichen Verein veranstaltete Faschingsball statt. Es dauerte zehn Jahre bis zum 4. Februar 2017, ehe Regina Merkl die Verantwortlichen des Musikzugs überzeugte, die Balltradition mit dem GaMu-Ball neu zu beleben. Heuer mussten die Hirschauer Narrhallesen allerdings auf einen öffentlichen Faschingsball verzichten. Schuld daran ist nicht, wie in den letzten beiden Jahren Corona, sondern die Nichtnutzbarkeit des Josefshaussaales.
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