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Nachricht vom 31.07.2023 Sonstiges

Vor 95 Jahren: Für (fast) jedes Hirschauer Auto eine Tankstelle

Hirschau (Bericht von Werner Schulz)  Aktuell sind ca. 5 500 Kfz auf einen Hirschauer Halter zugelassen. Vor Ort stehen ihnen zwei Tankstellen zur Verfügung - Pröls und Kirschner. Kaum zu glauben: Vor gut 90 Jahren gab es deren fünf - allesamt in der Innenstadt.

Stolze 14 Kraftfahrzeuge (darunter ein Motorrad) waren auf einen Hirschauer Halter zugelassen, drei davon auf AKW-Direktor Georg Schiffer. Dass Hirschau dennoch für Mineralölgesellschaften ein interessanter Standort war, lag wohl daran, dass die Bundesstraße 14 durch die Stadt führte - die „Goldene Straße“ von Nürnberg nach Prag.

Man schrieb das Jahr 1926, als die „Deutsch-Amerikanische Petroleumgesellschaft Nürnberg“ mit Schriftsatz vom 3. Juni die Errichtung einer „Dapolin-Pump-Anlage“ beantragte. Der Stadtrat stimmte am 22. Juli vorbehaltlich der baupolizeilichen Genehmigung zu, wurde aber durch das Bezirksamt Amberg zurückgepfiffen. Nachdem die Gesellschaft weitere Auflagen erfüllte, stimmte der Stadtrat am 7. Februar 1927 dem Vorhaben bei Entrichtung einer jährlichen Anerkennungsgebühr von 50 Reichsmark zu. Die Pumpanlage wurde an der Westseite des „Bräuhauses“ aufgestellt. Betrieben wurde sie von der Fahrradfirma Georg Demmel, ab 1931 vom „Kaufhaus“ Michael Schmidl. Seinen Antrag, eine Überdachung anzubringen, lehnte der Stadtrat ab: „Sie würde das Stadtbild vollkommen verunstalten.“

Ebenfalls im Jahr 1926, exakt am 24. Juli, beantragten die „Rhenania-Ossag-Mineralölwerke Regensburg“, die Errichtung „einer Shell-Benzinzapfstelle vor dem Anwesen des Andreas Weinberger, Hauptstraße 49“ (später Sparkasse, heute Stadtverwaltung). Das Straßen- und Flussbauamt war dagegen, „da der Verkehr auf der Hauptdurchgangsstraße Nürnberg-Sulzbach-Waidhaus durch das Halten der Tankfahrzeuge auf der Straße beeinträchtigt wird.“ Der Stadtrat war anderer Auffassung: „Der Verkehr wird nicht beeinträchtigt.“ Das Bezirksamt Amberg stimmte der Zapfstelle am 23. August 1928 zu. 1932 genehmigte der Stadtrat die Verlegung der Tankstelle vor das Anwesen Hans Ritter, Hauptstraße 184 (heute Hauptstraße 58, Anwesen Freimuth).

Wer sich heute im Café Zuckersüß eine Torte munden lässt, kann sich nur schwer vorstellen, dass sich vor dem Gebäude vor 90 Jahren eine Tankstelle befand. Die „Deutsche Gasolin Aktiengesellschaft München“ hatte im September 1927 die Errichtung einer Benzinzapfstelle vor dem Anwesen Hauptstraße 186 (später Irmgard Bauer/Anderl Müller) beantragt, teilte aber am 4. März 1930 mit, dass man kein Interesse mehr an dem Projekt habe.

Dass dort trotzdem eine Tankstelle eingerichtet wurde, ist der „Deutschen Vertriebsgesellschaft für Russische Ölprodukte Nürnberg“ (Derop) zu verdanken. Ihr Gesuch wurde vom Stadtrat am 8. April 1930 genehmigt. Eine Woche später widerrief die Derop dieses Gesuch und beantragte, die Tankanlage vor dem Anwesen „Goldenes Lamm“ einzurichten. Der Stadtrat erklärte sich am 7. Mai 1930 damit einverstanden. Ob diese Zapfsäule jemals in Betrieb gegangen ist, lässt sich nicht klären. Fest steht (siehe Foto), dass die Derop-Tankstelle vor dem heutigen Café Zuckersüß eingerichtet wurde und bis Ende 1936 in Betrieb war.

Diese sollte bald Konkurrenz bekommen. Der „Deutsche Benzol-Vertrieb Nürnberg“ beantragte am 27. Juli 1929 die Einrichtung einer Tankstelle vor dem Anwesen Georg Birner (Birner Schmied). Das Straßen- und Flussbauamt lehnte den Standort aus verkehrstechnischen Gründen ab. Es schlug als Standort die Südseite des Rathauses vor. Der Stadtrat bestand auf dem Standort Birner-Schmied: „Mit der Erstellung der Zapfsäule am Rathaus sind wir nicht einverstanden, da dort ein öffentlicher Brunnen liegt und auch die Abortgruben auf dieser Seite liegen.“ Es folgte das nächste Problem. Am 21. November 1929 schrieb Bürgermeister Riß: „Gemäß telefonischer Mitteilung des Bezirksamtes Amberg sind die Arbeiten vor dem Birner-Anwesen sofort einzustellen, da die Oberpostdirektion wegen des versehentlich nicht eingezeichneten Kabels Einspruch eingelegt hat.“ Am 12. Dezember 1929 wurde die Zapfstelle in Betrieb genommen. 1936 wurde ein zweiter Kessel eingebaut, nachdem die Derop-Tankstelle aufgelassen wurde.

Schließlich genehmigte der Stadtrat 1929 den Antrag der „Bayerischen Petroleum-Gesellschaft Olex“ (BP) auf Einrichtung einer Tankstelle vor dem Wohnhaus von Margarete Dorfner (Kurven-Café). Die BP weigerte sich, an die Stadt die geforderte jährliche Gebühr in Höhe von 50 Reichsmark zu bezahlen, da die Zapfsäule auf Privatgrund stand.

Wie lange die einzelnen Tankstellen existierten, lässt sich nicht mehr genau feststellen. Die Tankstelle Pröls, 1938 als „Leuna-Tankstelle“ eröffnet, kann heuer ihr 85-Jähriges feiern. 1954 nahm die einstige BP-Tankstelle in der Georg-Schiffer-Straße beim Autohaus Zinkl neben dem Postgebäude ihren Betrieb auf. Schließlich stand über Jahrzehnte an der Ecke Nürnberger-/Burgstraße (heute NETTO-Parkplatz) die ARAL-Tankstelle.

An der Westseite des Kommunbrauhauses stand ab 1927 die „Dapolin-Pump-Anlage“. Sie war zumindest noch 1951 in Betrieb. Im Bild: Geistlicher Rat Friedrich Zeitler (l.) und Bürgermeister Georg Lederer (Mitte) anlässlich der Einweihung der Wasserversorgung. - Foto von Reports: Werner SchulzFoto: Reports: Werner Schulz
An der Westseite des Kommunbrauhauses stand ab 1927 die „Dapolin-Pump-Anlage“. Sie war zumindest noch 1951 in Betrieb. Im Bild: Geistlicher Rat Friedrich Zeitler (l.) und Bürgermeister Georg Lederer (Mitte) anlässlich der Einweihung der Wasserversorgung.

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Foto: Reports: Werner Schulz
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