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Nachricht vom 02.11.2023 Vereine

Als die DSV-Adler vom Kalvarienberg flogen

Hirschau (Bericht von Werner Schulz)  Der 8. November 1970 ist ein außergewöhnlicher, trotzdem weitestgehend in Vergessenheit geratener Tag in der Geschichte des nordischen Skisports in Hirschau – es ist der Tag der Einweihung der Matten-Skisprungschanze am Kalvarienberg.

Trotz nasskalten Wetters kamen rund 1 400 Zuschauer zum Eröffnungsspringen. Es endete mit dem Sieg des jugoslawischen Nationalmannschafts-Angehörigen Ludvik Zajc. Unter 52 Teilnehmern belegte der deutsche Junioren-Vizemeister Bernd Zapf (Bischofsgrün) den 2. Platz vor dem deutschen Meister Günther Göllner (Bayreuth). Vorausgegangen war die Segnung der Schanze durch Stadtpfarrer Heinrich Röhrl. Ihm dankte der Skiclub-Vorsitzende Hans Dobmeyer dafür, dass er den Grund pachtweise zur Verfügung gestellte hatte. Sein besonderer Dank galt Dieter Heckmann, dem nordischen Skiwart des SCMK, ohne dessen tatkräftige Hilfe der Bau nicht möglich gewesen wäre. Heckmann war nicht nur Initiator sondern auch großzügiger Unterstützer des Projektes. Nach dem Volksschulskitag 1969 sah er Handlungsbedarf in Sachen Skispringen. Ca. 35 acht- bis zwölfjährige Jungen hatten auf der sofort 1969 erbauten 15-Meter-Schanze beachtliches Springertalent entwickelt. Einige waren bereits bei Wettkämpfen gestartet. Maßgeblichen Anteil an deren Fortschritten hatte Hans Hoffmann, früher selbst aktiver Springer. Er hatte auf Bitten Heckmanns die Aufgabe als Nachwuchstrainer übernommen. Hoffmann damals: „ Die Jungen sind ehrgeizig. Angst vor dem Schanzentisch kennen sie nicht. An der Technik muss noch gefeilt werden. Die Voraussetzungen dafür kann nur eine größere Schanze schaffen.“ Konsequenz: Eine größere Schanze musste her!

Kaum angedacht, schien das Projekt gefährdet durch den angeblich beabsichtigten Bau einer Skisprungschanze in Freudenberg, die der Landkreis mit 80 000 DM bezuschussen würde. SCMK-Vorstand Hans Dobmeyer schrieb am 8. Januar 1970 an stellv. Landrat Willi Bösl: „Wir sind der Meinung, dass Freudenberg nicht der geeignete Platz für eine Skisprungschanze ist. Es fehlt an der Grundvoraussetzung, d.h. an einem durchorganisierten Skiclub, der in der Lage ist, eine Schanze zu betreuen und Skispringen, die sehr viel Geld kosten, aufzuziehen.“ Der SCMK stelle sich fürs Erste den Bau einer 30 bis 40-Meterschanze und als übernächsten Schritt einer 60 bis 70-Meterschanze vor. Weiter schreibt er: „Vor allem bestünde nicht die Gefahr, dass diese Sprunganlagen eines Tages wieder verfallen und abgebrochen werden müssen, wie es in Freudenberg leider schon einmal der Fall war. Im Übrigen hat der Landkreis schon so viel Geld nach Freudenberg gepumpt, dass ein Abzweigen der Mittel nach Hirschau mehr als angebracht wäre.“

Die größere SCMK-Schanze war zunächst in einem Waldstück am Wenzelberg hinter dem Camping-Platz am Monte Kaolino geplant. Paul Freimuth war bereit, das Grundstück dem SCMK zu verkaufen. Bei einem AZ-Termin im April 1970 stellte Architekt Hermann Güntner den Plan der Schanze vor. Ihr kritischer Punkt sollte bei 40 Metern liegen. Im Oktober sollte sie fertig sein. Die Aufsprungfläche erwies sich aber als zu kurz. Ein anderer Standort musste her. Die Wahl fiel auf den Kalvarienberg, direkt neben der Gaststätte „Waldesruh“. Um von der Schneelage unabhängig zu sein, entschied man sich für eine Kunststoffmattenschanze, die damals sechste in der Bundesrepublik.

Hans Dobmeyer teilte daher Landrat Dr. Hans Raß am 25. Mai mit, man verzichte auf den Bau der Schanze am Wenzelberg, baue dafür noch in 1970 eine Jugend-Sprungschanze am Kalvarienberg. Weiter heißt es: „Wir befürworten den Bau einer großen Sprungschanze … im Raum Freudenberg sehr. Wir sind gerne bereit, dieses Projekt… zu unterstützen und mit der Skivereinigung Amberg zusammenzuarbeiten.“ Er bat um Bezuschussung der geplanten Mattenschanze durch den Landkreis. Die Kosten bezifferte er auf 53 840 DM.

Nach Klärung der Grundstücks- und Finanzierungsfrage gab es „grünes Licht“. Vom Landkreis erhielt man letztlich 15 000 DM, weitere 5 000 DM von der Stadt. Letztere trug auch die Kosten für den Wassanschluss in Höhe von 1 200 DM. Dann ging es Schlag auf Schlag! Unter der Regie von Dieter Heckmann, Hans Dobmeyer, Hermann Güntner und seinem Assistenten „Bobby“ Schertl wurde der Schanzenbau vorangetrieben. Ende August wurden die Bäume gefällt, um eine Schneise für die Schanze zu bekommen. An den Wochenenden waren stets Bagger und Räumfahrzeuge unterwegs. Es galt 10 000 m³ Erdreich für die Aufsprung- und Auslauffläche auszuheben. Die Mitarbeiter der AKW-Bauabteilungen waren im Dauereinsatz. Nachdem der ca. 12 Meter hohe Anlaufturm und der Kampfrichterturm standen, feierte man am 26. September Richtfest. Sprunghügel und Auslauf waren fast fertig. Das verdankte man insbesondere den SCMK-Mitgliedern. Von Beginn an fanden sich, insbesondere samstags, 20 bis 40 von ihnen zu den Arbeitseinsätzen ein. Sorgsam belegten sie die Böschungen wieder mit Grasnarben. Die Kunststoffanlaufspur war am 17. Oktober fertig. Die Aufsprungbahn - Neigungswinkel 34 Grad - wurde mit Kunststoff-Unterschichten belegt. Es fehlte noch die Aufsprungmatte. Um diese fachgerecht anzubringen, ließ man sich von Egon Muschal beraten, dem Erfinder der Kunststoffmatten. „Schanzen-Generalprobe geglückt“ titelte die AZ am 2. November, nachdem Hans Hoffmann am Vortag die ersten Sprünge absolviert hatte. „Bei vollem Anlauf gelang ihm ein Sprung besser als der andere. Der Test kann daher in jeder Weise als gelungen bezeichnet werden.“

Am Sonntag, 8. November, war es so weit - die Schanze wurde eingeweiht. Ein prominentes Teilnehmerfeld hatte sich angesagt, allen voran Franz Keller, Olympiasieger 1968 in der Nordischen Kombination, Günther Göllner, Deutscher Meister 1968 und Olympiazehnter und der jugoslawische Weitenjäger Ludvic Zajc. Keller sagte kurzfristig ab. Die Zuschauer erlebten dennoch hochklassige Wettkämpfe. Bei den Schülern siegte Werner Schertel (Warmensteinach) vor Hans Hoffmann jun. (Hirschau). Bei der Jugend gewann Hans Zeitler (Bayreuth) vor Rainer Friedrich (Warmensteinach). Sieger der Altersklasse wurde Hartmut Speer (Altenfurt) vor Hans Hoffmann sen. (Hirschau). Bei der Herrenkonkurrenz erreichte das Stimmungsbarometer im 3. Durchgang seinen Höhepunkt, als nacheinander Bernd Zapf, Ludvik Zajc und Günther Göllner über den Backen gingen. Am Ende hatte Zajz mit 29 und 29,5 Metern die Nase vorn. Bernd Zapf sprang als Zweiter 29,5 und 27,5 Meter, Günther Göllner 28 und 27 Meter.

In der Folgezeit trugen Hans Hoffmanns Trainerarbeit und der Trainingsfleiß seiner Buben reichlich Früchte. Das galt für Hoffmanns Söhne Hans und Klaus genauso wie für Paul Wittmann, Norbert Gebel, Thomas Heckmann, Siegfried Herrmann, Alfred Horn, Peter Rösch, Karl Herkommer und Sven Kraft. Sie zählten z.T. im Skispringen wie in der Nordischen Kombination zur bayerischen, ja deutschen Spitzenklasse. Mit der Zeit konzentrierte man sich beim SCMK stärker auf die Nordische Kombination. Für sie Spitzenspringer wurde die Schanze zu klein. Sie trainierten auf der 45-Meter-Schanze in Etzelwang. Ab Ende 1978 wurde die Kalvarienberg-Schanze nicht mehr benutzt. Später wurde sie abgebaut und das Gelände wieder in den ursprünglichen Zustand gebracht.

Um von der Schneelage unabhängig zu sein, entschied sich der SC Monta Kaoliono für den Bau einer Kunststoffmattenschanze, die damals sechste in der Bundesrepublik. Sie wurde in der Rekordzeit von zwei Monaten am Kalvarienberg gebaut. 10 000 m³ Erdreich mussten bewegt, der Sprung- und der Kampfrichterturm errichtet werden.  - Foto von Werner Schulz/ReprosFoto: Werner Schulz/Repros
Um von der Schneelage unabhängig zu sein, entschied sich der SC Monta Kaoliono für den Bau einer Kunststoffmattenschanze, die damals sechste in der Bundesrepublik. Sie wurde in der Rekordzeit von zwei Monaten am Kalvarienberg gebaut. 10 000 m³ Erdreich mussten bewegt, der Sprung- und der Kampfrichterturm errichtet werden.

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Foto: Werner Schulz/Repros
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