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Nachricht vom 14.12.2023 Sonstiges

Als der Hirschauer Kirchturm zur Todesfalle wurde

Hirschau (Bericht von Werner Schulz)  Der 11. Dezember 1743 ist ein schwarzer Tag in der Geschichte der Katholischen Stadtpfarrgemeinde: Zwischen 4 und 5 Uhr morgens stĂŒrzte der Kirchturm ein. Der TĂŒrmer brach sich ein Bein, sein Lehrjunge kam heil davon, dessen Mutter wurde tot geborgen.

Wie die von Stadtpfarrer Johann Baptist Lautenschlager 1897 verfasste „Chronik der Stadt Hirschau“ und Joseph Weinbergers 1993 erschienene HĂ€userchronik berichten, war der UnglĂŒcksturm nicht an die Kirche angebaut. Er stand als „Kampanile“ ca. 30 Schritte (Lautenschlager: 8,76 Meter) sĂŒdwĂ€rts der Kirche im alten „Freithof“ in Richtung des ehemaligen Gasthauses „Sparrerresl“ (Zimmermann, heute Metzgerei Hausner und NKD). Der erste, historisch belegte Einsturz dieses „Kampanile“ war bereits 1589 erfolgt. Um vermutlich die Ruhe der kurz vorher beerdigten Toten nicht zu stören, die damals im alten Friedhof um die Kirche begraben waren, wurde der Turm an der gleichen Stelle wieder aufgebaut. Der Friedhof war erst 1585 zur Vierzehnnothelferkirche an der Ehenfelder Straße verlegt worden. Zudem hatte der Abstand zur Kirche den Vorteil, dass sich die ErschĂŒtterungen durch das schwere GlockengelĂ€ut nicht im Gotteshaus selbst fortpflanzen konnten. Knapp 50 Jahre spĂ€ter, nĂ€mlich 1638, heißt es, dass der Turm schon wieder baufĂ€llig ist. Entweder hatte man beim Neubau die alten Fundamente nicht genĂŒgend verfestigt, oder die 20 Zentner schwere „Elferglocke“ hatte durch ihre Unwucht so nachteilige Schwingungen erzeugt, dass der Bau erschĂŒttert wurde. Der Schaden wurde 1640 wohl provisorisch behoben, denn der Turm stand noch rund weitere 100 Jahre. Um 1730 wurden jedoch die Risse immer grĂ¶ĂŸer. Man nahm die Glocken vom Turm ab und hĂ€ngte sie an einem LĂ€utgerĂŒst sĂŒdöstlich der Kirche auf. 1740 war der Zustand des Turmes so schlecht , das dem „ThĂŒrmer“ und seinem Lehrjungen das Betreten des Turmes verboten wurde. Sie beachteten das Verbot nicht, sondern blieben freiwillig oben. Als der Turm am 11. Dezember 1743 zwischen 4-5 Uhr morgens einstĂŒrzte, flogen der TurmwĂ€chter und sein Lehrjunge, die gerade in der Kuppel beschĂ€ftigt waren, mit dem Turm in den Hofraum des nebenstehenden Pfarrhauses. Der TĂŒrmer hatte einen Beinbruch. Der Lehrjunge kam heil davon, aber seine Mutter, die sich beim Einsturz in der Turmwohnung befunden hatte, wurde „tot aus dem Schutte hervorgezogen“.

Auf Anregung des aus Amberg stammenden Stadtpfarrers Adam PlĂ€tl - der seit 1739, also schon beim Einsturz des Turms amtierte - wurde der Turmstandort abseits der Kirche aufgegeben. Am 20. Februar 1752 erhielt PlĂ€tl „die allergnĂ€digste Bewilligung“, den neuen Turm an das westliche Ende des um „zwanzig Schuh verlĂ€ngerten“ Kirchenlanghauses anzubauen. Die harten Grundsteine zum Turmbau wurden teils aus den zwei SteinbrĂŒchen zu Katzendorf und Immenstetten per Bezahlung, teils aus einem Dietzischen Burggut-Grund gratis erworben. Die Fam. Dietz entstammte einem alteingesessenen Adelsgeschlecht und war bis 1831 auf dem Anwesen Hauptstraße 55, dem spĂ€teren Gasthaus „Zum Löwen“ (Hausner/Grasser) und heute Uhren-Optik Huber ansĂ€ssig. Die Quader, aus denen der quadratische Turm (SeitenlĂ€nge 7,30 Meter) in seiner ganzen Höhe erbaut ist, stammen aus dem Ehenfelder MĂŒhlberg, aus Immenstetten und Schönbrunn. Beim Aufbau wurden die im Kirchhof herumliegenden Steine des eingestĂŒrzten Turmes wieder verwendet. Der Turm wurde von 1752 bis 1756 durch den Maurermeister DĂŒrrmann aus Amberg und Maurermeister Johann Jacob Luber von hier erbaut. Der Hirschauer Zimmermeister Reichsstadler und die Zimmergesellen Leistl waren fĂŒr den Bau der Kuppel zustĂ€ndig.

Lehrer Bachmann schreibt 1844 in seiner Chronik: „1756 ist der Bau vollendet. Die Mauer desselben ist 7,5 Fuß (2,1Meter) dick und der Turm ist 180 Fuß (52,5 Meter) hoch. An der Spitze des Turmes ist ein bewegliches eisernes Kreuz befestigt“. Über das Kreuz schreibt Lehrer Janner in seiner Chronik: „Durch eindringende NĂ€sse wurde der Hahnbaum (so hieß die Haltevorrichtung) des Kreuzes beschĂ€digt, es faulte und drohte herabzufallen.

Kaum stand der neue Turm, ging am 17. Juli 1756 ĂŒber Hirschau ein schweres Gewitter nieder. WĂ€hrend des ĂŒblichen WetterlĂ€utens schlug ein Blitz ein. Ein Knabe fiel sogleich tot zu Boden, zwei Dienstboten, die beim LĂ€uten halfen, starben nach 6 bzw. 8 Wochen an den Folgen der Verletzungen. Der Mesner Jakob Dorfner wurde vom Glockenstrang so stark am Leib getroffen, dass er in Ohnmacht sank und halbtot heruntergezogen wurde. Er siechte noch zweieinhalb Jahre dahin und wurde im „Januar 1759 in den bittersten und leidvollsten Tod versetzet“. Am Turm wurden die hölzernen KuppelsĂ€ulen zerschmettert, ein Teil des Daches abgedeckt und viele Dachziegel auf dem Gotteshausdachstuhl zerbrochen. Schon bei der Turmplanung hatte man beschlossen, diesen nicht mehr mit einem TĂŒrmer zu besetzen. Es fehlte auch das dafĂŒr nötige Umlaufgitter. Als Arbeitsplatz des TĂŒrmers samt seiner Wohnung wird ab dieser Zeit nur mehr der „Stadtthorthurm“ erwĂ€hnt.

Am 24./25 November 1830 wurde mit wenigen Kosten durch den Turmdecker Johann Hauptner von Roggenstein und dem waghalsigen Zimmergesellen Josef Leistl von hier ein neuer 22 Fuß langer Hahnbaum eingezogen, die zwei Zentner schwere Hahnstange eingelassen, der kupferne Kopf aufgesetzt und befestigt und das 165 Pfund schwere Kreuz an die durch den Kopf reichende Hahnstange eingelassen. Dies alles geschah ohne GerĂŒst. Seit dieser Zeit bewegt sich das Kreuz zur Zierde des Turmes und zur Freude der Einwohner ĂŒber ihren HĂ€uptern nach allen Winden. Am 28. Februar 1990 wurde das bewegliche Kreuz vom auch ĂŒber Hirschau wĂŒtenden Orkan „Wiebke“ in Mitleidenschaft gezogen und musste daher in einer waghalsigen Aktion repariert werden.

Nicht vergessen werden darf in der Geschichte des Kirchturms der 20. April 1945, als dieser bei einem Bombenangriff der Amerikaner getroffen und – ebenso wie das Kirchendach – schwer beschĂ€digt wurde. Die Kosten fĂŒr die Reparatur ĂŒbernahm damals AKW-Direktor Wolfgang Droßbach.

Am 20. Februar 1752  erhielt Pfarrer PlĂ€tl grĂŒnes Licht fĂŒr den Bau eines neuen Kirchturmes. Mit seinen 52,5 Metern Höhe prĂ€gt er als alles ĂŒberragendes GebĂ€ude das Hirschauer Stadtbild. Am 20. April 1945 wurde der Turm bei einem Bombenangriff der Amerikaner getroffen und beschĂ€digt. Die reparierte Stelle ist auf dem Foto zu sehen. - Foto von Werner SchulzFoto: Werner Schulz
Am 20. Februar 1752 erhielt Pfarrer PlĂ€tl grĂŒnes Licht fĂŒr den Bau eines neuen Kirchturmes. Mit seinen 52,5 Metern Höhe prĂ€gt er als alles ĂŒberragendes GebĂ€ude das Hirschauer Stadtbild. Am 20. April 1945 wurde der Turm bei einem Bombenangriff der Amerikaner getroffen und beschĂ€digt. Die reparierte Stelle ist auf dem Foto zu sehen.

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Bilder / Fotos

Foto: Werner Schulz
Foto: Werner Schulz