Hirschau (Bericht von Werner Schulz) Der 11. Dezember 1743 ist ein schwarzer Tag in der Geschichte der Katholischen Stadtpfarrgemeinde: Zwischen 4 und 5 Uhr morgens stĂŒrzte der Kirchturm ein. Der TĂŒrmer brach sich ein Bein, sein Lehrjunge kam heil davon, dessen Mutter wurde tot geborgen.
Wie die von Stadtpfarrer Johann Baptist Lautenschlager 1897 verfasste âChronik der Stadt Hirschauâ und Joseph Weinbergers 1993 erschienene HĂ€userchronik berichten, war der UnglĂŒcksturm nicht an die Kirche angebaut. Er stand als âKampanileâ ca. 30 Schritte (Lautenschlager: 8,76 Meter) sĂŒdwĂ€rts der Kirche im alten âFreithofâ in Richtung des ehemaligen Gasthauses âSparrerreslâ (Zimmermann, heute Metzgerei Hausner und NKD). Der erste, historisch belegte Einsturz dieses âKampanileâ war bereits 1589 erfolgt. Um vermutlich die Ruhe der kurz vorher beerdigten Toten nicht zu stören, die damals im alten Friedhof um die Kirche begraben waren, wurde der Turm an der gleichen Stelle wieder aufgebaut. Der Friedhof war erst 1585 zur Vierzehnnothelferkirche an der Ehenfelder StraĂe verlegt worden. Zudem hatte der Abstand zur Kirche den Vorteil, dass sich die ErschĂŒtterungen durch das schwere GlockengelĂ€ut nicht im Gotteshaus selbst fortpflanzen konnten. Knapp 50 Jahre spĂ€ter, nĂ€mlich 1638, heiĂt es, dass der Turm schon wieder baufĂ€llig ist. Entweder hatte man beim Neubau die alten Fundamente nicht genĂŒgend verfestigt, oder die 20 Zentner schwere âElferglockeâ hatte durch ihre Unwucht so nachteilige Schwingungen erzeugt, dass der Bau erschĂŒttert wurde. Der Schaden wurde 1640 wohl provisorisch behoben, denn der Turm stand noch rund weitere 100 Jahre. Um 1730 wurden jedoch die Risse immer gröĂer. Man nahm die Glocken vom Turm ab und hĂ€ngte sie an einem LĂ€utgerĂŒst sĂŒdöstlich der Kirche auf. 1740 war der Zustand des Turmes so schlecht , das dem âThĂŒrmerâ und seinem Lehrjungen das Betreten des Turmes verboten wurde. Sie beachteten das Verbot nicht, sondern blieben freiwillig oben. Als der Turm am 11. Dezember 1743 zwischen 4-5 Uhr morgens einstĂŒrzte, flogen der TurmwĂ€chter und sein Lehrjunge, die gerade in der Kuppel beschĂ€ftigt waren, mit dem Turm in den Hofraum des nebenstehenden Pfarrhauses. Der TĂŒrmer hatte einen Beinbruch. Der Lehrjunge kam heil davon, aber seine Mutter, die sich beim Einsturz in der Turmwohnung befunden hatte, wurde âtot aus dem Schutte hervorgezogenâ.
Auf Anregung des aus Amberg stammenden Stadtpfarrers Adam PlĂ€tl - der seit 1739, also schon beim Einsturz des Turms amtierte - wurde der Turmstandort abseits der Kirche aufgegeben. Am 20. Februar 1752 erhielt PlĂ€tl âdie allergnĂ€digste Bewilligungâ, den neuen Turm an das westliche Ende des um âzwanzig Schuh verlĂ€ngertenâ Kirchenlanghauses anzubauen. Die harten Grundsteine zum Turmbau wurden teils aus den zwei SteinbrĂŒchen zu Katzendorf und Immenstetten per Bezahlung, teils aus einem Dietzischen Burggut-Grund gratis erworben. Die Fam. Dietz entstammte einem alteingesessenen Adelsgeschlecht und war bis 1831 auf dem Anwesen HauptstraĂe 55, dem spĂ€teren Gasthaus âZum Löwenâ (Hausner/Grasser) und heute Uhren-Optik Huber ansĂ€ssig. Die Quader, aus denen der quadratische Turm (SeitenlĂ€nge 7,30 Meter) in seiner ganzen Höhe erbaut ist, stammen aus dem Ehenfelder MĂŒhlberg, aus Immenstetten und Schönbrunn. Beim Aufbau wurden die im Kirchhof herumliegenden Steine des eingestĂŒrzten Turmes wieder verwendet. Der Turm wurde von 1752 bis 1756 durch den Maurermeister DĂŒrrmann aus Amberg und Maurermeister Johann Jacob Luber von hier erbaut. Der Hirschauer Zimmermeister Reichsstadler und die Zimmergesellen Leistl waren fĂŒr den Bau der Kuppel zustĂ€ndig.
Lehrer Bachmann schreibt 1844 in seiner Chronik: â1756 ist der Bau vollendet. Die Mauer desselben ist 7,5 FuĂ (2,1Meter) dick und der Turm ist 180 FuĂ (52,5 Meter) hoch. An der Spitze des Turmes ist ein bewegliches eisernes Kreuz befestigtâ. Ăber das Kreuz schreibt Lehrer Janner in seiner Chronik: âDurch eindringende NĂ€sse wurde der Hahnbaum (so hieĂ die Haltevorrichtung) des Kreuzes beschĂ€digt, es faulte und drohte herabzufallen.
Kaum stand der neue Turm, ging am 17. Juli 1756 ĂŒber Hirschau ein schweres Gewitter nieder. WĂ€hrend des ĂŒblichen WetterlĂ€utens schlug ein Blitz ein. Ein Knabe fiel sogleich tot zu Boden, zwei Dienstboten, die beim LĂ€uten halfen, starben nach 6 bzw. 8 Wochen an den Folgen der Verletzungen. Der Mesner Jakob Dorfner wurde vom Glockenstrang so stark am Leib getroffen, dass er in Ohnmacht sank und halbtot heruntergezogen wurde. Er siechte noch zweieinhalb Jahre dahin und wurde im âJanuar 1759 in den bittersten und leidvollsten Tod versetzetâ. Am Turm wurden die hölzernen KuppelsĂ€ulen zerschmettert, ein Teil des Daches abgedeckt und viele Dachziegel auf dem Gotteshausdachstuhl zerbrochen. Schon bei der Turmplanung hatte man beschlossen, diesen nicht mehr mit einem TĂŒrmer zu besetzen. Es fehlte auch das dafĂŒr nötige Umlaufgitter. Als Arbeitsplatz des TĂŒrmers samt seiner Wohnung wird ab dieser Zeit nur mehr der âStadtthorthurmâ erwĂ€hnt.
Am 24./25 November 1830 wurde mit wenigen Kosten durch den Turmdecker Johann Hauptner von Roggenstein und dem waghalsigen Zimmergesellen Josef Leistl von hier ein neuer 22 FuĂ langer Hahnbaum eingezogen, die zwei Zentner schwere Hahnstange eingelassen, der kupferne Kopf aufgesetzt und befestigt und das 165 Pfund schwere Kreuz an die durch den Kopf reichende Hahnstange eingelassen. Dies alles geschah ohne GerĂŒst. Seit dieser Zeit bewegt sich das Kreuz zur Zierde des Turmes und zur Freude der Einwohner ĂŒber ihren HĂ€uptern nach allen Winden. Am 28. Februar 1990 wurde das bewegliche Kreuz vom auch ĂŒber Hirschau wĂŒtenden Orkan âWiebkeâ in Mitleidenschaft gezogen und musste daher in einer waghalsigen Aktion repariert werden.
Nicht vergessen werden darf in der Geschichte des Kirchturms der 20. April 1945, als dieser bei einem Bombenangriff der Amerikaner getroffen und â ebenso wie das Kirchendach â schwer beschĂ€digt wurde. Die Kosten fĂŒr die Reparatur ĂŒbernahm damals AKW-Direktor Wolfgang DroĂbach.
Möchten Sie Ihre Nachrichten/Presseberichte hier veröffentlichen? Senden Sie einfach Ihre Artikel per E-Mail an uns und wir veröffentlichen Ihren Beitrag hier auf kaolinpott.de!
Für den Inhalt der Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich.