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Nachricht vom 08.10.2024 Sonstiges

Von Kartoffel (n) du Hungersnöten in unserer Heimat.

Schnaittenbach/Hirschau (Bericht von Reinhold Strobl)  Not und Elend gibt es auch heute noch in vielen Teilen unserer Welt. Diese Not gibt es aufgrund von Naturkatastrophen, Ausbeutung oder Kriegen. Ein Blick in die Chroniken unserer Städte zeigt, wie arm unsere Bevölkerung bis ins 19. Jahrhundert hinein, war. Kaum war ein Krieg vorbei und schon kamen wieder Soldaten und verwüsteten das Land. Ãœber viele Jahrhunderte hinweg gab es nur Kriege und Not. Von der oft zitierten „guten alten Zeit“ bleibt da nicht viel übrig. Bei jedem Durchzug eines Heeres oder eines Teils eines Heeres gab es Zerstörungen, Not und Elend. Menschen wurden ermordet, ausgeraubt, Saatgut (Kartoffeln gab es lange nicht) vernichtet, Häuser abgebrannt. Krankheiten wie die Pest kamen dazu. In Geschichtsbüchern wird viel über Schlachten und siegreiche Generäle.

Kartoffeln sind ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Wer denkt da schon dran, dass das nicht immer so war – es Kartoffeln in Europa überhaupt nicht gab. Kartoffeln wurden schon vor mehr als 8.000 Jahren gegessen – allerdings nicht bei uns, sondern in Südamerika. Bei uns fand man die Kartoffel bis weit ins 18. Jahrhundert hinein nur als Zierpflanze. Höchstens das Vieh konnte man damit füttern, aber doch nicht die Menschen. Um dieses Vorurteil auszuräumen, erließ Friedrich II. am 24. März 1756 den Kartoffelbefehl, auch „Circular Ordre“ genannt, in dem er allen Beamten befahl, den Bauern den Anbei der Kartoffel „begreiflich zu machen.“ Heute dürfte jeder Mensch etwa 60 Kilo Erdäpfel essen. Kartoffelknödel oder Pommes frites oder einfach Kartoffeln zu vielen Speisen sind für uns heute selbstverständlich.

Schlimm war der Zustand während des 30-jährigen Krieges. In Schnaittenbach hatte General Galles mit seiner Truppe auf dem Marsch nach Böhmen sein Hauptquartier. Seine Truppe hauste nicht übel: Das Vieh wurde größtenteils abgeschlachtet, der Rest fortgetrieben. Die Soldaten warfen das dort gelagerte Getreide aus den Städeln. Über das Jahr 1631 kann man nachlesen: Sulzbach und Hirschau hatten (bei den Durchzügen der Kaiserlichen unter Colloredo und Gallas) die Tore geschlossen und damit Schlimmes von den Bürgern abhalten können. Dafür hauste die Truppe schlimm auf dem flachen Lande. Das Verhalten erklärt sich durch die Äußerung des Generals, der dem als Kommissar beigegebenem Landrichter sagte, seine Leute hätten seit vier Tagen kein Brot mehr erhalten und Plünderungen seien nicht mehr zu verhindern. Man solle „alles auf die Seite tun; denn der Teufel sei in diesen Leuten.“ Zwar war die Bevölkerung mit dem Vieh in die Wälder geflohen, doch führten die Soldaten Hundemeuten mit sich, die darauf abgerichtet waren, das Vieh in den Wäldern aufzuspüren.

Während des 30-jährigen Krieges (1632) hatten sich am 2. Juli alle Einwohner der Umgegend (auch aus Schnaittenbach) mit Frauen und Kindern nach Hirschau geflüchtet, dort herrschte bald Mangel an Nahrung und Futter für das geflüchtete Vieh. Die Leute heulten und das Vieh brüllte vor Hunger, so kann man in der Chronik nachlesen. Die Bürger selbst versteckten ihr Brot, um es vor Raub durch die Hungernden zu sichern. Am 30. April 1633 wurde Ehenfeld geplündert. Der schlimme Ruf, der den Reitern vorausging, bewog die Einwohner von Luhe, in das befestigte Hirschau zu flüchten. In dieser Zeit brach auch noch die Pest aus. Das flache Land bot 1636 ein Bild allgemeiner Not. Das Dorf Kindlas war zur Hälfte abgebrannt. Am 30. April 1636 wurde Ehenfeld geplündert.

Die herrschende Unsicherheit und fortgesetzte Plünderungen ließen Feldarbeit nicht zu, was ein Bericht eines Beamten bestätigt. In diesen Jahren gab es immer wieder Einquartierungen und Plünderungen. Walter Vollandt schreibt, dass am 12.09.1647 bayerische Truppen mit fünfzig Mann in Schnaittenbach Rast machten, ohne Disziplin, so dass fast der meiste Teil der armen Bürgerschaft „unvermögens hinweg flüchten mussten.“ Über diese Jahre gibt es viele Schilderungen. Es ging aber auch nach dem 30-jährigen Krieg weiter. Es verging kein Jahrzehnt ohne Krieg und Durchzüge von Soldaten mit ihren Folgen.

Im Januar 1743 kamen z.B. „ohne vorherige Notification“ französische Truppen von der Armee des Marschalls Bellisle nach Schnaittenbach, bezogen Quartier und holten sich mit Gewalt Verpflegung und die Futterrationen für die Pferde. Der ungarische General Feuerstein kam am 10. Oktober 1743 mit einer ersten Kolonne nach Schnaittenbach, wo er Rasttag hielt. Dem Bürgermeister und Posthalter Popp fiel die undankbare Aufgabe zu, den General und seinen Stab zu verpflegen, was ihn 186 Gulden, 45 Kronen kostete. Außerdem mußte der Markt von sieben Höfen 221 Gulden, 10 Kreuzer, Forst 110 Gulden, abliefern.

Kartoffeln gab es auch zu dieser Zeit noch nicht. In Deutschland wurden die Kartoffeln auf eigenen großen Feldern erstmals in Bayern angebaut – zumindest kurzzeitig: 1647 in Pilgramsreuth bei Rehau, das bezeugen Gerichtsakten, mussten sich die dortigen Bauern verpflichten, „die Übermaß von solch neu eingeschlichenen Erdäpfeln in der ganzen Pfarr abzuschaffen.“ Bereits Ende des 18. Jahrhunderts gab es so viele Kartoffelfelder in der Oberpfalz, dass bald aus der Steinpfalz die Erdäpflpfalz wurde, so Martha Pruy. Schnell bereicherte die Knolle die Oberpfälzischen Küchen.

Am 10. April 1815 brach der 4.000 m hohe Vulkanberg Tambora in Indonesien aus. Dieser stärkste Vulkanausbruch der Menschheitsgeschichte katapultierte gigantische Mengen Staub und Asche in die Atmosphäre. Dadurch bildeten sich Dunstschleier, die das Sonnenlicht absorbierten und so dem Jahr 1816 die Bezeichnung „Jahr ohne Sommer“ einbrachten. 1816 gab es wegen des nassen Jahres und des beständigen Regens nicht nur in Schnaittenbach, sondern in der halben Welt einen großen Preisanstieg. Nirgends war mehr Getreide oder Brot aufzutreiben. Wie überall, so behalfen sich die Armen mit Wurzeln und Waldkräutern. Alle Scheunen waren leer. Der Winter 1816 dauerte länger als gewöhnlich.“

Im Jahre 1817 gab es in Schnaittenbach einen verheerenden Großbrand: Kleider, Mundvorräte, Hausgerätschaften wurden größtenteils ein Raub der Flammen, der größte Teil von Schnaittenbach und Forst war ein rauchender Schutthaufen. Das Getreide war verbrannt, und sogar die im Keller gelagerten Kartoffeln, die in diesem Jahr wegen der Witterung und der allgemeinen Not schon geerntet und eingelagert wurden, waren total verkohlt.

Als später beim Bau der Bahnlinie Amberg – Schnaittenbach eine Umfrage gestartet wurde, was denn alles befördert werden würde, wurde dies u.a. auch mit 3.000 Zentnern Kartoffeln aus Schnaittenbach und 5.000 Zentnern Kartoffeln aus Hirschau begründet. Nach dem 2. Weltkrieg war bei der Firma Dorfner ein landwirtschaftliches Anwesen (jetzt Grube). Dieses Anwesen wurde von Gefangenen der JVA Amberg bewirtschaftet. „Ich kann mich noch daran erinnern, dass in den Äckern in der Nähe der Bahngleise auch Kartoffeln angebaut waren“, so Reinhold Strobl. Als diese von den Gefangenen geerntet wurden, warteten Schnaittenbacher Frauen schon darauf, nachzuernten (Erdäpfl glauben). Neben dem Rest von Kartoffeln, die für Tiere gebraucht wurden, ließ man natürlich auch „Erdäpfl“ für den menschlichen Verzehr mitgehen. Heute kann man sich die Oberpfälzer Küche ohne Kartoffeln nicht mehr vorstellen.

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