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Nachricht vom 08.01.2025 Sonstiges

Industrie- und Arbeitergeschichte in Hirschau – Schnaittenbach

Hirschau/Schnaittenbach (Bericht von Reinhold Strobl)  Im Mittelalter spielten die Hammerwerke in der Oberpfalz eine große Rolle. In der Oberpfalz wurde mehr Eisen produziert als in Frankreich und Großbritannien zusammen. Bis zu ¼ der Bevölkerung in der Oberpfalz war durch diese Hammerwerke beschäftigt, ob das nun beim Holzeinschlag, in der Köhlerei, in den Hammerwerken oder beim Transport war. Als Hans Kastner z.B. 1394 das Gut Holzhammer kaufte und er es zu einem florierenden Unternehmen machte, waren dort mehr als 80 Arbeitskräfte beschäftigt.

Im Jahre 1387 kam es zur großen Hammereinigung. Auch die Familie Kastner (Unterschnaittenbach) gehörte zu den Unterzeichnern. Von größter Bedeutung für die Vertrag schließenden Parteien war das Hüttenpersonal, das grundsätzlich nicht abgeworben werden und seinerseits keinen eigenen Betrieb errichten durfte. Der Vertrag regelte sogar die Entlohnung der Hüttenarbeiter.

Er beinhaltete Absprachen und Regelungen wegen der Feststellung eines Einstellungstermins, der Arbeits- und Urlaubslöhne, der Zeit der Betriebsruhe, Maßnahmen gegen „Schwarzarbeit“ und der Erschwerung der Abwerbung von Arbeitskräften. Allerdings dürfte es sich hier um keinen zwischen den Arbeitern und den Betriebsinhabern ausgehandelten Flächentarifvertrag gehandelt haben, sondern mehr um eine einseitige Festsetzung der Arbeitsbedingungen durch die Hammerwerksbesitzer.

Aus dem Jahre 1705 stammt eine Polizei- und Landesverordnung, die in 28 Artikeln das Arbeitsleben der Landeskinder regelte. Darin waren auch die Freizeit am Samstag und der sonntägliche Kirchgang geregelt.

Der industrielle Aufschwung, den Hirschau und Schnaittenbach durch die Steingutfabrik sowie die Entwicklung der Kaolinindustrie erfuhr, führte viele neue Arbeitskräfte, darunter auch evangelische nach Hirschau.

In einer Festschrift der Firma Gebr. Dorfner wird erwähnt, dass bei der Steingutherstellung und Kaolingewinnung im Jahre 1870 im Durchschnitt 120 Arbeiter beschäftigt waren. Erwähnt wird auch, dass in der damaligen Zeit leider auch Kinderarbeit üblich war. Aber bereits am 18. Juli 1857 stellte der königliche Regierungspräsident der Oberpfalz fest: „Dieses großartige Etablissement ist für die Bevölkerung von Hirschau und dessen Umgegend von äußerster Wichtigkeit, gibt Arbeitsgelegenheit und Verdienst.“

In dieser Zeit kam es in Deutschland aufgrund der insgesamt schwierigen Lage für die Arbeiterschaft zur Gründung der Gewerkschaften, der SPD und auch kirchlicher Arbeitervereine. Karl Marx kam auf seiner Reise (zur Kur) von Nürnberg nach Karlsbad über Neukirchen b. SUL und Irrenlohe durch die Oberpfalz. Andreas Harvolk gründete 1893 mit seinen Kollegen Vinzenz Schreiner und Andreas Schönhammer in Hirschau den Porzellanarbeiterverband und somit die erste Gewerkschaft im Hirschauer Raum.

Nach dem 1. Weltkrieg mit seinen 17 Millionen Toten verabschiedete die Revolutionsregierung in rascher Folge eine Reihe von Verordnungen: Allgemeines Wahlrecht für Frauen und Männer, Achtstundentag, Arbeiterschutzbestimmungen, Verordnung über Tarifverträge, Koalitionsrechte und Erwerbslosenfürsorge.

Die „Amberger Volkszeitung“ schrieb am 14.12.1919: „Bei der nunmehr dem Amberger Schlichtungsausschuss überlassenen Regelung für Lohnforderungen der Arbeiter der Kaolinwerke in Hirschau und Schnaittenbach verlangen diese bei 8-stündiger Arbeitszeit 2 Mark pro Stunde, die Gewerkschaftssekretäre versuchten einen Mittelweg: bis 1. Januar 1.80 M, dann 2 M, die Arbeitgeber beharren bei 1,50 M, ab Januar 1,60 M.

Während heute der 1. Mai als Wander- oder Ausflugstag genutzt wird, demonstrierten am 1. Mai 1920 trotz Verbots durch die Behörden von Hirschau nach Schnaittenbach kommend „etwa 100 Männlein und einigen Weiblein“ mit Hochrufen auf den 1. Mai die Straßen des Marktes Schnaittenbach. Der Artikelschreiber bezeichnete dies als „geschmacklose Demonstration“. Man erwarte von der zuständigen Behörde, „dass sie ihren Anordnungen auch Nachdruck zu verleihen gewillt ist und gegen die Anstifter dieser Ruhestörung vorgeht“.

Zur Arbeiterbewegung gehörten auch Arbeitergesangvereine („es gab damals unter der Arbeiterschaft viele sangesfrohe Kehlen“ und der Arbeiter-Radfahrerverein „Solidarität“. Von dem Schnaittenbacher Karl Schwab ist noch eine Urkunde erhalten geblieben.

Die Weltwirtschaftskrise bringt Deutschland ein Millionenheer Arbeitsloser. Not und Verzweiflung breiten sich nicht nur unter den Arbeitern aus. Im Jahr 1929 betrug in Hirschau die Zahl der Arbeitslosen 187 Personen. Der Arbeitslohn betrug damals zwischen 66 und 84 Pfennigen und der für die Arbeiterinnen 38 Pfennige.

Erwähnt werden soll auch ein Eklat anlässlich einer Beerdigung in Hirschau. „Bei der Beerdigung des sozialdemokratischen Fabrikarbeiters Andreas Dotzler in Hirschau ereignete sich insofern ein Zwischenfall, als der Kooperator die Begleitung des Trauerzuges verweigerte, weil der Radfahrverein „Solidarität“, dem der Verstorbene zu Lebzeiten angehörte, sich mit der unverhüllten, nicht geweihten Standarte, an die Spitze des Leichenzuges setzte“.

Während des 2. Weltkrieges wurden viele Zwangsarbeiter- und arbeiterinnen, insbesondere aus Polen, Italien, Russland und Frankreich, in den Betrieben eingesetzt. Bei der Familie Gräßmann war der Italiener Gino Rosso beschäftigt. Er durfte sogar mit am Tisch sitzen, was von den Nazis nicht gerne gesehen war. Es kam in der Oberpfalz auch zu Liebschaften zwischen deutschen Frauen und polnischen Zwangsarbeitern. Thomas Muggenthaler hat das in seinem Buch „Verbrechen Liebe“ festgehalten. Die Liebe endete in der Regel mit der Hinrichtung des Zwangsarbeiters und der Einweisung der deutschen Frau in ein KZ. Aus dieser Zeit stammt auch ein Bild eines polnischen Zwangsarbeiters, der nach Schnaittenbach kam.

Nach dem Krieg lag der Stundenlohn für einen Hilfsarbeiter bei 0,60 RM. Bei den Gruben in Ehenfeld (60 Bergleute) lag er 1950 bei 0,98 DM/Stunde bei 48 wöchentlichen Arbeitsstunden. Ein Kaolinarbeiter verdiente etwa 50 DM in der Woche. Bei den Lohnverhandlungen 1966 betrug die Erhöhung eines Stundenlohns für Hilfsarbeiter 18 Pfennige und bei einem Facharbeiter 20 Pfennige. An 6 Wochen Urlaub wie heute war überhaupt nicht zu denken.

Bis in diese Zeit hinein wurde der Lohn oft auch noch bar ausbezahlt. Erst in den 1970er Jahren mussten sich Arbeitnehmer ein Bankkonto zulegen, da ab dieser Zeit die Löhne auf Konten überwiesen wurden, was viele Männer überhaupt nicht gerne sahen, da ihre Frauen dann ja wußten, was sie wirklich verdienen.

Mein Vater, so Reinhold Strobl, arbeitete bei der Firma Gebr. Dorfner. Diese unterstützte ihre Arbeitnehmer damit, dass sie einen Kleinbus für Urlaubsreisen zur Verfügung stellte. Die meisten Arbeiter hatten damals noch kein eigenes Auto, so dass dies eine willkommene Hilfe für kurze Urlaubs-Reisen war. Voraussetzung war lediglich ein Führerschein und da diesen auch noch nicht viele hatten, ein Freund als Fahrer.

In dieser Zeit kamen viele Fremdarbeiter nach Hirschau und Schnaittenbach. Sie kamen aus Italien, Griechenland und S

panien. Für diese stellte die Firma AKW einen Bus, der die spanischen Arbeiter nach Spanien in den Urlaub fuhr, wo sie bis Februar oder März blieben. Die Fremdarbeiter haben unser Land mit aufgebaut, was man in dieser jetzigen Zeit nicht vergessen sollte.

Bei diesen Erläuterungen handelt es sich nur um einen kleinen Auszug der Arbeiter- und Industriegeschichte in unserer Region. Ob die Errungenschaften auch für die Zukunft erhalten oder noch ausgebaut werden, liegt an vielen Dingen.

Ein namentlich Bekannter polnischer Zwangsarbeiter malte dieses Bild zum 1. September 1939. - Foto von Reinhold StroblFoto: Reinhold Strobl
Ein namentlich Bekannter polnischer Zwangsarbeiter malte dieses Bild zum 1. September 1939.

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Foto: Reinhold Strobl
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